März 26, 2021 Matthias Weber

Ein Weg aus der Krise?

1. Ausgangslage

Negativzinsen, Aktienkurse auf Allzeithöchst, unbezahlbare Immobilien, Flucht in Gold und Bitcoins.

COVID-19: noch mehr Staatsschulden, noch mehr Wertpapierkäufe der Zentralbanken.

Wo man auch hinsieht, überall erreichen wir Extremwerte. Grenzen, die wir überschreiten. Die Verunsicherung ist seit der Finanzkrise gross und wurde mit COVID-19 noch grösser.

Wie sollen künftig die Staatsausgaben, die Renten finanziert werden? Woher soll das Wirtschaftswachstum kommen? Wie sicher sind die Banken, die Lebensversicherungen?

Was ist die natürliche Reaktion auf Verunsicherung? Vorsicht. Sparen. Risiken vermeiden. Reserven aufbauen statt investieren und konsumieren.

Das war nicht die Idee der Tiefzinspolitiken der Zentralbanken.

Die lockere Geldpolitik sollte das Wachstum stimulieren, Investitionen auslösen. Sie sollte Bremseffekte der Fiskalpolitik ausgleichen, da diese angesichts der vielerorts hohen Staatsverschuldung auf Sparen ausgelegt war.

Nicht nur die Staaten sparen. Es sparen auch die Haushalte, denn die Sparer werden bestraft mit tieferen Renten und geringeren Zinserträgen. Um den gewohnten Lebensstil auch nach der Pension aufrechtzuerhalten, müssen sie noch mehr sparen – umso mehr, je tiefer die Zinsen, je älter die Bevölkerung.

Die Haushalte sparen insgesamt auch mehr, weil die Verteilung der Einkommen immer ungleicher wird: die Reichen werden dank der Inflation der Vermögenswerte immer reicher. Auch die Schicht besonders qualifizierter Arbeitnehmer steigert ihren Wohlstand. Aber der Rest verliert. Die Ärmeren haben sowieso nichts übrig zum Sparen, während die Reicheren im Überfluss leben und Ersparnisse äufnen. Diese ungleiche Verteilung hemmt das Wachstum.

Schliesslich sparen auch die Unternehmen. Einerseits weil COVID-19 viele in Schwierigkeiten brachte und ihre Überlebensfähigkeit beeinträchtigte. Anderseits weil die zunehmende Marktkonzentration zu weniger Produktivitätswachstum führt: Marktkonzentration behindert den Wettbewerb und begünstigt übermässige Gewinne. Für diese finden die Megafirmen keine sinnvolle Verwendung mehr und legen sie deshalb risikoscheu an.

Aber was passiert, wenn alle sparen, statt zu konsumieren oder zu investieren: die Staaten, die Haushalte, die Unternehmen?

Erstens spricht das für noch mehr Deflation statt Inflation, sobald der Preisschub nach COVID-19 verdaut ist.

Zweitens verharrt das Wirtschaftswachstum unter seinem Potenzial. Und sogar das Potenzial geht wegen Überalterung und geringem Produktivitätswachstum zurück.

Entsprechend bleiben die Zinsen tief. Inzwischen ist dies ein strukturelles Problem: Seit Jahrzehnten sinkt der Gleichgewichtszins, also jener Realzins, der die Wirtschaft bei Vollbeschäftigung und mässigem Preisanstieg operieren lässt.

Der reale Gleichgewichtszins ist also tief, die Inflationserwartungen sind tief. Damit kommt auch die konventionelle Geldpolitik rasch an ihre Grenzen: Wesentlich unter Null lässt sich der Leitzins nicht senken.

Seit langem liegt aber die Last der Wachstumsstimulation auf der Geldpolitik, während die Fiskalpolitik angesichts hoher Verschuldung restriktiv war.

Somit sind nun beide, Geld- und Fiskalpolitik, in die Ecke getrieben.

Liegt die Lösung in der Koordination von Geld- und Fiskalpolitik? Können sich damit beide gemeinsam aus der Ecke befreien und Handlungsspielraum zurückgewinnen?

Eine Koordination von Geld- und Fiskalpolitik, um die vorherrschende Verunsicherung zu dämpfen und Investitionen anzukurbeln. Um die Einkommensungleichheit zu bekämpfen. Um den Umbau zu einer klimaneutralen Gesellschaft voranzutreiben. Um bei neuen Krisen adäquat reagieren zu können.

Schauen wir uns in der Fortsetzung eine Theorie dazu an, wie praxistauglich diese ist und inwieweit wir uns damit möglicherweise wieder neue Probleme schaffen.

Diese Überlegungen basieren stark auf dieser hervorragenden Abhandlung:

Bartsch, Elga; Bénassy-Quéré, Agnès; Corsetti, Giancarlo; Debrun, Xavier (2020). It’s All in the Mix: How Monetary and Fiscal policies Can Work or Fail Together. Geneva Reports on the World Economy 23. Centre for Economic Policy Research.

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